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Neue Einsichten - alte Irrtümer

JOURNALIST: Nach Ihrer Abkehr von der Avantgarde begannen Ihre Kompositionen die eben ausgeführten musikalischen und menschlichen Erkenntnisse widerzuspiegeln, und Sie entschlossen sich, dem Musikliebhaber die musikalische Hinwendung zur Natürlichkeit vorzustellen.

Da dürften Sie wohl kaum mit dem Verständnis der Fachwelt gerechnet haben; denn Sie entschlossen sich zu dem gleichen Schritt, den Richard Wagner so erfolgreich vorgezeichnet hatte: Sie wandten sich mit Ihren Musikwerken direkt an das Publikum: den Bürger.

Unter dem Titel „Enjoy I“ starteten Sie mit Freunden eine Konzerttournee durch Deutschland, die in ihrem Erfolg im Bereich der zeitgenössischen ernsten Musik ohne Beispiel war.

Besonders die Jugend strömte in Ihre elektronischen Konzerte, und 800 bis 1200 Besucher pro Konzert waren die Regel – und dies zu einer Zeit, wo Uraufführungen weltbekannter Neutöner in Deutschland mit Ach und Krach gerade so 150-200 Hörer anzogen.

Der Erfolg Ihrer Tournee „Enjoy I“ beim Publikum gab Ihnen also recht. Was aber sagte die Fachwelt dazu?

PETER HÜBNER: Einige wurden nachdenklich, etliche schäumten.

Um das zu verstehen, müssen Sie die Verhältnisse bedenken, die die Avantgarde-Elite geschaffen hatte: sie hatte dem musikalischen Chaos Tor und Tür geöffnet – wo doch gerade die Musik seit alters her die klassische Disziplin ist, natürliche Ordnungen darzustellen und im Hörer zu beleben.

Da die naturgegebenen harmonikalen Strukturen des Mikrokosmos der Musik in den atonalen Kompositionen gar keinen Stellenwert haben, geschieht die Beurteilung der Qualität solcher Musik immer nur auf intellektuellem Wege.

Da hat nun so mancher Chaotiker mit größter Anstrengung das System der Modernen Musik etabliert, redet intellektuell daher, fabriziert komplizierte Konstruktionen auf seinem Kompositionsreißbrett und proklamiert diese dann keck mit vielen guten Beziehungen als „Musik“.

Und nun kommt ein einzelner so ganz alleine und ohne den intellektuellen Schutz der Neutönermasse daher und glaubt alle diese modernen dissonanten Errungenschaften einfach ignorieren zu können!

Bei einem Musikwerk, das der natürlichen Harmonie verpflichtet ist, hört jeder, ob der Komponist zumindest sein Handwerkszeug beherrscht: wenn er die Harmoniegesetze verletzt, klingt es schräg und schief, und da dem Menschen das Gespür für musikalische Harmonie von Geburt aus mitgegeben ist, kann solche Fehler sogar ein Kind identifizieren – ganz ohne intellektuelle musikalische Bildung.

Das sagt zwar noch nichts über den künstlerischen Wert einer solchen Komposition aus – sehr wohl aber über die Qualität der Handwerkskunst beim Komponisten.

Außerdem gibt es für die Beurteilung der Handwerkskunst eines harmo-nischen Komponisten eine ganze Reihe weiterer Kriterien: sein Umgang mit der Tonalität, mit der Harmonie, mit dem Rhythmus, mit dem Kontrapunkt und vieles mehr geben objektive Auskunft über das handwerkliche Niveau des Komponisten.

Der harmonikale Rahmen schreibt dem harmonisch komponierenden Tonschöpfer klar umrissene Arbeitsbedingungen vor, auf dem er sein Handwerk ausführen darf. Verläßt er diesen Rahmen, versteht er sein Handwerk nicht, und das hört dann bekanntlich jedes Kind.

Der von außen an die Musik Herangehende, in dessen Innerem die Musik nicht auf natürliche Weise heranwächst, der sich aber vorgenommen hat, komplexe harmonische Kompositionen zu erstellen, wird meistens an diesen Forderungen des Harmonikalen scheitern und Gefahr laufen, in der klassischen Schnulze hängen zu bleiben – wie der Fall des Sohnes Richard Wagners drastisch demonstriert hat.

Inwieweit eine harmonische Komposition natürliches Leben atmet, ist von dem äußeren Handwerk weitgehend unabhängig und zeigt sich erst darin, daß die Musik in der Erfahrungswelt des Hörers auf natürliche Weise subtile und erfüllende Lebensfelder in Schwingung zu versetzen vermag – was ihn dann veranlaßt, dieses Werk immer wieder hören zu wollen.

Das Maß an natürlichem Leben erst bestimmt das künstlerische Niveau einer Komposition. Tschaikowsky

JOURNALIST: Und die Werke der Neutöner besitzen kein natürliches Leben?

PETER HÜBNER: Da bei den Neutönern der harmonikale Rahmen fehlt, können diese Kompositionen kein natürliches Leben atmen, denn Harmonie ist der innere Wesenszug natürlichen Lebens.

Deshalb hat auch nicht eines dieser Werke einen Erfolg beim einfachen Hörer erzielt.

All die Unsummen, die die Opernhäuser, Kulturämter, Regierungen und Musikhochschulen dem Bürger zur Förderung dieser Musik besonders in Deutschland abverlangt haben und abverlangen, haben nicht ein einziges Werk hervorgebracht, das auch nur tausend schlichte Bürger unseres Landes schön fänden.

Das muß auch den hartnäckigsten Vertreter solcher Musik nachdenklich stimmen.

                   
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PETER HÜBNER
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